Mit dieser Frage beschäftigten sich Mitarbeiter/innen der Asylsozialberatung im Caritasverband der Diözese Augsburg bei ihren "Fachtagen Asyl" im Exerzitienhaus Leitershofen. Impulse dazu gab Ulrich Bauer, Professor für Interkulturelle Kommunikation an der Hochschule Kempten. Als einer, der selbst viele Jahre im nichteuropäischen Ausland gelebt und gelehrt hat, beschrieb er, was es für einen Menschen heißen kann, plötzlich das, was er von seiner Kultur her sehr schätzt, nicht mehr vorzufinden. "Ich bin zwei Stunden gefahren, um endlich bei einem Bäcker ein Brot aus Sauerteig zu bekommen", erzählte er ein Beispiel. Die Asylberater rief er dazu auf, sich in die Situation der Menschen, mit denen sie zu tun haben, hinein zu fühlen. Da lasse sich vielleicht eher begreifen, warum einer "aggressiv" oder "bockig" ist.
Prof. Ulrich Bauer zeigte einige der Ursachen auf, die zu Konflikten zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen führen können. "Wir Menschen in Europa haben einen ganz anderen Ansatz, mit Konflikten umzugehen", sagte er und verwies auf die lange, gesellschaftliche Entwicklung von der Renaissance, über die Aufklärung und die Französische Revolution bis hin zu unserer heutigen modernen Welt. Freiheit und Gleichheit sind in Westeuropa unumstößliche Werte, gehören zu Recht und Gesetz. "Für jemanden, der das nicht kennt, kann das eine große Zumutung sein", so Bauer.
Bei aller Empathie für Menschen, die aus einer anderen Kultur stammen, in der es etwa keine Gleichberechtigung von Mann und Frau gibt, oder in der Kinderehen ganz selbstverständlich sind, warnte der Wissenschaftler vor einem "Kulturrelativismus", der jeden nach seinen eigenen Regeln leben lässt. Bauer: "Es gibt Grenzen der Toleranz." Als die wichtigste Grenze sah er "das deutsche Recht mit seinen gesetzlichen Regelungen " an. Wenn etwa ein Mann aus einem patriarchalischen Kulturkreis seiner Frau keine Mitsprache einräumt, sie trotz Aufforderung nicht zur Asylberatung mitnimmt, könne man ihm deutlich zeigen, dass man ihn zwar als Menschen ernst nimmt, dass sein Verhalten jedoch dem Prinzip der Gleichberechtigung in Deutschland widerspricht. "Irgendwann kommt der Punkt, dass etwas nicht mehr mit Ihren Werten vereinbar ist", so Prof. Bauer an seine Zuhörer. Das müsse dann auch ausgesprochen werden. Aus ihrer Praxiserfahrung berichteten Berater, dass ein Umdenken ihrer Klienten - vor allem von Männern aus patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen - seine Zeit brauchen würde. Denn die eigene Identität, die eigene kulturelle Prägung, auch durch die Familie, ließen sich nicht einfach ablegen. Als Ermutigung gab der Referent seinen Zuhörern mit: "Ich möchte Ihnen Mut machen, bei allem Wunsch nach Empathie für sich selbst zu klären, wo für Sie Ihre Grenzen sind."