Münster 
(cpm).  
 
 
Der Mann vor ihr sieht erschöpft aus und ist krank. Als 
Krankenschwester mit langjähriger Erfahrung sieht Kordula  
Leusmann 
 
es mit einem Blick. Aber hängen lassen? "Mir geht es gut, ich sehe doch 
bestens aus," bekommt sie immer wieder als Antwort auf ihre Frage nach dem 
Befinden, wenn sie ihre "Stadtrunde" durch Münster läuft, im Rucksack 
Verbandszeug und Standardmedikamente, um Kleinigkeiten gleich vor Ort zu 
verarzten. Lieber ist ihr, wenn die wohnungslosen Männer in die Sprechstunde im 
Haus der  
Wohnungslosenhilfe 
 ( 
HDW 
) 
am Bahnhof kommen. Dazu muss sie aber häufig erst ihr Vertrauen gewinnen und 
"ständig den Kontakt halten", sagt die  
48jährige 
 
 
Havixbeckerin 
. Die Statistik ist eindeutig und das 
Jahresthema der Caritas sagt es: Armut macht krank und das Leben auf der Straße 
besonders. Das ganze Spektrum an Krankheiten breitet sich vor Kordula  
Leusmann 
 auf ihrer Runde und im  
HDW 
 
aus. Wie in jeder Arztpraxis, aber jünger, verschleppter, gebündelter. 
 
 
" 
Chez 
 Sophie" haben die Wohnungslosen im  
HDW 
 mit großen Buchstaben auf den Zettel an der Tür im 
"Wartezimmer" geschrieben. Eigentlich nur ein kleiner, fensterloser 
Flur zwischen dem Behandlungsraum und dem Büro von Bernd Mülbrecht, der die 
Einrichtung der Bischof-Hermann-Stiftung leitet. Drei Stühle passen hinein. 
Hier arbeitet der Mobile Soziale Dienst "stationär". Besetzt mit 
Kordula  
Leusmann 
, einer Internistin und einem 
Psychiater ist er eng vernetzt mit der Gesundheitsförderung im  
HDW 
. 
   
Über Jahre ist 
die medizinische und pflegerische Versorgung ausgebaut worden. So ergänzen den 
Mobilen Sozialen Dienst noch eine Krankenschwester im Haus, zwei stundenweise 
ehrenamtlich tätige Krankenschwestern und ein Sozialarbeiter. Ein 
Allgemeinmediziner kommt einmal in der Woche ins Haus, eine Ärztin des 
sozial-psychiatrische Dienstes des Gesundheitsamtes bietet regelmäßig eine 
psychiatrische Sprechstunde an. Eng wird mit der Malteser- 
Migrantenmedizin 
 
und den Kliniken in der Stadt zusammengearbeitet. 
 
 
Allerdings sind sich 
Kordula  
Leusmann 
 und Bernd Mülbrecht auch einig, dass 
"sich die Lage eher verschärft". Es werden immer mehr Patienten und 
die Krankheiten schlimmer. Was nicht zuletzt an seit Jahren ungelösten 
Problemen liegt. An die 600 wohnungslose Männer nutzen das  
HDW 
 
jährlich mehr oder weniger lang als Zwischenstation. Auf rund zehn Prozent ist 
die Zahl der Bulgaren und Rumänen unter ihnen gewachsen, für die es besonders 
heikel ist krank zu werden. Wegen ihres noch bis Ende 2013 eingeschränkten 
Zugangs zum Arbeitsmarkt sind sie oft nicht krankenversichert. 
 
 
Da helfen nur noch 
Spenden und die gibt es nie genug. Beim Zahnarzt "reicht es nur für die 
akute Schmerzbehandlung", erklärt  
Leusmann 
. An 
eine Krone oder ein Gebiss ist gar nicht zu denken. Dabei sind es gerade die 
Zähne, die wegen mangelnder und schlechter Ernährung oft in "desolatem 
Zustand" sind. Dazu kommen Zahnfleischentzündungen, die schwere 
Folgeerkrankungen nach sich ziehen können. 
 
 
Das Geld könnte schon 
deutlich weiter reichen, wenn es gelänge, "mehr Menschen ins System zu 
holen", sagt Mülbrecht. Nach Recherchen der Bundesarbeitsgemeinschaft  
Wohnungslosenhilfe 
, in deren Arbeitsgruppe Migration er 
mitarbeitet, könnte das bei 70 Prozent der Versicherungslosen juristisch 
gelingen. "Wir gehen auch mit Einzelnen zum Anwalt," erklärt der  
HDW 
-Leiter. Aber der Aufwand ist enorm, "weil das 
EU-Recht sehr kompliziert ist." Eine Lösung wäre für ihn, wenn durch 
Kooperationsverträge der EU-Staaten der Zugang zur  
Kankenversicherung 
 
vereinfacht würde. Waren- und Geldströme könnten inzwischen frei fließen, nur 
die Menschen habe man dabei vergessen. 
 
 
Die hat Kordula  
Leusmann 
 dafür umso mehr im Blick. 33 Stunden stehen ihr in 
der Woche dafür zur Verfügung. Dass sie zuvor einige Jahre in einer 
psychiatrischen Klinik in Dülmen gearbeitet hat, kommt ihr im  
HDW 
 zugute. Denn psychische Erkrankungen seien unter 
Wohnungslosen weit verbreitet. Häufig waren sie Auslöser für den Absturz, 
häufig aber auch Folge des Lebens auf der Straße. "Man kann gar nicht 
sagen, was war zuerst," weiß  
Leusmann 
 aus den 
vielen Lebensgeschichten, die sie in den vergangenen fünf Jahren gehört hat. 
 
 
Seit 2007 gibt es den 
Mobilen Sozialen Dienst in Nordrhein-Westfalen, aber auch nur hier. An seiner 
Entwicklung hat die Bischof-Hermann-Stiftung durch medizinische und 
pflegerische Vorgängerprojekte im Haus der  
Wohnungslosenhilfe 
 
mitgewirkt. In ursprünglich vier und jetzt sechs Städten kümmert der Mobile 
Soziale Dienst sich um wohnungslose kranke Menschen. Gemäß ihrer Größe war 
Münster mit 100 Patienten pro Quartal kalkuliert, lag aber ständig darüber. Die 
vergleichsweise angespannte Wohnungssituation mit entsprechend hohen Mieten ist 
ein Grund. Aber auch die besondere Lage als einzige Großstadt inmitten 
ländlicher Umgebung spielt eine Rolle, so Mülbrecht. 
 
 
Mobil ist ihr Dienst 
in der Tat. Fast täglich ist Kordula  
Leusmann 
 auf der 
Straße unterwegs. Und ist es gelungen, einen  
HDW 
-Gast 
wieder in einer Mietwohnung unterzubringen, "lassen wir ihn auch dort 
nicht allein", sagt sie. Der Umgangston ist in dieser Männerwelt oft rau 
und direkt, "vor allem aber herzlich", betont die Mutter von drei 
erwachsenen Söhnen. Und eigentlich geht es allen immer "gut". Sagen 
sie zumindest. 
 
 
 
Video 
auf YouTube im Kanal  
CaritasMS 
: Interview mit Kordula 
 
Leusmann 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
090-2012 
         
21. August 2012
 
 
 
 
 
 
 
 
 
