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(1) Anlass
Vor einigen Wochen kam es vermehrt zu kritischen Äußerungen über den Deutschen Caritasverband, weil dieser auf seiner Homepage (www.caritas.de) das Buch von Tanja Dräger, "Gender Mainstreaming im Kindergarten" (Dialogisches Lernen), Stuttgart 2008, beworben hat. In der Folge davon wurden auch einzelne Diözesan-Caritasverbände auf ihre mögliche Unterstützung bzw. Umsetzung einer "Gender-Ideologie" angefragt bzw. ohne nähere Klärung vorschnell als Befürworter kritisiert.
(2) Was bedeutet Gender Mainstreaming?
Gender Mainstreaming weist zunächst in allgemeiner Weise darauf hin, dass Politik als auch Organisationen und Institutionen die unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen und Männern sowie deren Auswirkungen auf beide Geschlechter untersuchen, bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen sollen. Eine treibende Kraft für die Umsetzung von Gender Mainstreaming ist die Europäische Union, die im Amsterdamer Vertrag (1997) Gender Mainstreaming zur verbindlichen Richtlinie für alle Mitgliedsstaaten erhoben hat. In Deutschland wurde mit der Novellierung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) im Jahr 2000 die dafür notwendige Grundlage geschaffen und damit alle Resorts der Bundesregierung vor die Aufgabe gestellt, Gender Mainstreaming "bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien" (vgl. GGO, § 2) zu berücksichtigen.
(3) Ursprung, Sinn und Tragweite der Gender-Kategorie
In der Linguistik bezeichnet dieser aus dem englischen Sprachgebrauch kommende Begriff gender das grammatikalische Geschlecht, d. h. damit wird die Unterscheidung zwischen weiblich, männlich und sächlich getroffen.
Im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch hingegen ist gender eine Bezeichnung in der Differenztheorie der Geschlechterforschung. Es geht um das Geschlecht als gesellschaftlich bedingten sozialen Sachverhalt in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht ("sex"). Somit ist in diesem Zusammenhang die begriffliche Trennung zwischen biologischen ("sex") und sozialen ("gender") Geschlecht zentral.
Im weiteren Verlauf der Etablierung von Gender-Mainstreaming wurde der Begriff gender im feministischen Sprachgebrauch aufgenommen, um die Differenz zwischen dem sozialen und biologischen Geschlecht hervorzuheben.
Die Gender-Forschung folgt dabei der These, dass die geschlechtliche Zuschreibung "Mann" oder "Frau" allein das Ergebnis von gesellschaftlichen Erwartungen sei, die vornehmlich durch Erziehung, Medien, Rollenprägungen und Normen vermittelt werden. Sie wendet sich insofern gegen die Annahme von der natürlichen Bestimmung der Geschlechter und betont die geschichtlich und gesellschaftlich-kulturell bedingte Konstruktion des sozialen Geschlechts. Das Geschlecht als bloße Konstruktion, vielmehr als kulturelle Interpretationen, ist im Horizont dieses Denkens schließlich veränderbar.
Geistesgeschichtlicher Hintergrund für diesen philosophischen, soziologischen und politischen Kontext ist letztlich die Theorie des Konstruktivismus, die sich zusammenfassend so beschreiben lässt, dass alle Wirklichkeit vom Betrachter (Subjekt) durch den Vorgang des Erkennens konstruiert wird.
Gender Mainstreaming ist jedoch nicht nur eine theoretische Kategorie, das Gender-Konzept verfolgt maßgeblich die praktische Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit; insofern wird durch Gender Mainstreaming das Geschlechterverhältnis kritisch hinterfragt. Vor allem geht es um die Überwindung und die Abwehr von Diskriminierung gegenüber Frauen.
In letzter Konsequenz aber stellt Gender Mainstreaming die natürliche Bestimmung der Geschlechter und damit die geschlechtliche Identität in Frage. Eine Geschlechtsidentität von "Frau" oder "Mann" ist dieser Auffassung nach nicht gegeben und damit sei auch eine Definition darüber, was männlich oder weiblich sei, nicht zulässig.
Die Diskussion darüber kann so weit gehen, dass der Unterschied zwischen einem biologischen und sozialen Geschlecht gar als trügerische Differenz gewertet wird, denn auch das biologische Geschlecht sei nicht wirklich "natürlich", sondern gleichfalls nur eine Konstruktion. Es gibt daher in dieser Konzeption kein naturhaft-biologisches Geschlecht!
(4) Ist die Geschlechterdifferenz tatsächlich konstruiert?
Gender Mainstreaming ist entgegenzuhalten, dass nicht erst der Diskurs über die Geschlechter deren Differenz schafft. Es gibt spezifische Ausprägungen der Geschlechter, die fundamental sind. Zudem ist wohl nicht zu bestreiten, dass es biologische und psychologische Gründe für eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern gibt.
Dieser Theorieansatz ist zweifelsfrei auch unter schöpfungstheologischen Gesichtspunkten inakzeptabel. In biblischer Hinsicht gehört die Zweigeschlechtlichkeit zur Erschaffung des Menschen (Genesis 1,27). Die biologische Unterscheidung zwischen Mann- und Frausein als rein kulturelles Produkt abzutun bzw. Mann- und Frausein nur als Ausdruck gesellschaftlicher Prägung zu begreifen, widerspricht der Schöpfungsordnung Gottes, ja stellt sie sogar radikal in Frage.
Eine am Naturrecht (Vernunft) orientierte Theologie und Pädagogik kann daher nicht anderes, als auf die Verschiedenheit der Geschlechter hinzuweisen. Denn ein Mann ist keine Frau und eine Frau ist kein Mann. Diese Verschiedenheit ist zu würdigen und darf nicht mit negativen Wertungen verbunden werden. Das Menschsein zeichnet sich ja gerade durch die Ergänzung von Mann- und Frausein aus. Insofern ist es für den erzieherischen Auftrag in hohen Maß von Belang, junge Menschen anzustoßen, zu motivieren, sich konstruktiv mit ihrer eigenen geschlechtlichen Identität als Mann, als Frau auseinanderzusetzen.
(5) Studien zum Gender-Mainstreaming
Die Studien zum Gender-Mainstreaming sind allerdings nicht unumstritten. Wie die Debatte zeigt, ist künftig in der Forschung deutlicher herauszuarbeiten bzw. zu unterscheiden, ob es um die Beschreibung gesellschaftlicher Zustände geht oder um normative Auffassungen.
Angesichts der Tatsache jedoch, dass es noch immer zutrifft, das Geschlecht zu benutzen, um Menschen auf bestimmte Klischees oder überholte Rollenzuschreibungen im Sinne einer Hierarchisierung zu reduzieren, ist es für die katholische Kirche von hoher Relevanz, am Abbau von geschlechterhierarchisierenden Bewertungen in der Gesellschaft mitzuwirken. Es steht außer Frage, dass es eine Gleichheit geben muss im Hinblick auf Menschenwürde und Menschenrechte. In genau diesem Sinne ist das zwischenzeitlich inflationär gebrauchte Worte von der "Gleichstellung" richtig zu verstehen. Gleichstellung verlangt gewiss die Ermöglichung und Herstellung von gleichen Lebensbedingungen von Mann und Frau. Damit darf aber keine Einebnung biologischer Unterscheidungen bzw. eine Infragestellung der Schöpfungsordnung Gottes einhergehen.
(6) Fazit und Ausblick
Angesichts dessen ist es für den kirchlich-caritativen Raum unabdingbar, sich kritisch mit Gender Mainstreaming auseinanderzusetzen. Alle entsprechenden Ansätze im pädagogischen Bereich sind daher einer achtsamen, objektiven Analyse zu unterziehen. Dazu müssen uns nicht zuletzt auch die mahnenden Aussagen von Papst Franziskus über die Gender-Theorie ermutigen.